400 Eisenbahnwaggons für Obergünzburger Schulen

Detail

„In der Mitte des Raumes ist die Küche, ein emaillierter Kohleherd mit zwei Kochplatten, eingerahmt von Regalen für Lebensmittel, Geschirr und Hausrat. Hier ist auch der „Waschraum“, er besteht aus einer Schüssel, die in einen Hocker eingelassen ist. Daneben ein Stück Kernseife, ein Waschlappen, ein Handtuch. Für eine schnelle Wäsche kann man das Wasser aus dem Bach schöpfen. Doch das ist nicht so gut. Deshalb muss täglich jemand mit dem Leiterwagen ins Dorf und am Brunnen zwei große Kanne füllen.“ (S.20f)

Gefüllt wurden auch die Scheunen der Mittelschule und der Staatlichen Realschule Obergünzburg, und zwar mit je 200 Exemplaren des jüngst veröffentlichten Werkes „Waggon vierter Klasse“ von Robert Domes. Darin verflechtet der Ostallgäuer Autor zwei Geschichten, die sich als Schauplatz einen 1929 für die Unterbringung „missliebiger Bürger“ am Rande Obergünzburgs abgestellten Eisenbahnwaggon teilen. Die Spuren des ersten Bewohners, Alois Roth, ein „Außenseiter“, verlieren sich im Konzentrationslager Mauthausen. Für die Vertriebenenfamilie der 16-jährigen Martha aus Ostpreußen stellte der Waggon nach dem Kriegsende wiederum eine Behelfswohnung dar. Mit Tiny-House-Living hat das trotzdem nichts zu tun. In beiden Fällen steht der Wagen auch sinnbildlich für die gesellschaftliche Enge in der damaligen Zeit.

Bereits 2015 kreuzten sich die Gleise aller an diesem Projekt Beteiligten, als im Rathaus die Ausstellung „In Memoriam“ zur Verwicklung der Pflege- und Heilanstalt Kaufbeuren in das Euthanasieprogramm des Nationalsozialismus Station machte. In dem Buch „Nebel im August“ wurde von Robert Domes das traurige Schicksal des als Zigeunerjungen abgestempelten und für lebensunwert befundenen Ernst Lossa literarisch verarbeitet.

Mit Unterstützung der Sparkasse Allgäu übernahm die Marktgemeinde Obergünzburg nicht nur die finanzielle Verantwortung für die Bücherspende sowie umfangreich didaktisch aufgearbeitetes Begleitmaterial, welches von Bürgermeister Lars Leveringhaus auf dem Nikolausberg passend vor der neu eingerichteten Schülerbücherei der Realschule übergeben wurde. Neben zahlreichen Schülerinnen und Schülern freuen und bedanken sich auch die Vertreter der Schulen: Bernhard Meyer und Thomas Pöppel für die Mittelschule und Stefan Zillenbiller und Stephan Sichler für die Realschule. Schließlich beginnt alles vor der eigenen Haustüre. Auch und gerade die Prägung von Geschichts- und Heimatbewusstsein: „Für gewöhnlich sieht der Mensch nur das Stoppelfeld der Vergänglichkeit. Was er übersieht sind die vollen Scheunen der Vergangenheit. Im Vergangensein ist nämlich nichts unwiederbringlich verloren, vielmehr alles unverlierbar geborgen.“ Viktor Frankl

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